Der Fotokünstler Paul Hutchinson durchdringt die Stadt so wie sie ihn
Beate Scheder
Am S-Bahnhof Yorckstraße, ungefähr da, wo Kreuzberg in Schöneberg übergeht, steht er, der vielleicht hässlichste Neubau Berlins. Und er spricht sogar mit einem: „who are you" steht in schwarz-grünen Lettern auf der steingrauen Fassade. Die eigene Antwort gibt er ums Eck gleich selbst: „More than a Gym". Der Künstler Paul Hutchinson hat ihm ganze fünf Seiten in seinem Buch „Stadt für Alle“ gewidmet, diesem Sinnbild für den oft ziemlich geschmacklosen Bauboom Berlins. Hutchinson hält den rasanten Wandel der Hauptstadt mit seinen Fotografien schonungslos fest. Er richtet die Kamera auf Baustellen, die wie Mondlandschaften aussehen, in aufgerissene Gruben auf Absperrband und Bauzäune, Gerüste, Kräne, Bagger in Nahaufnahme, auf Graffiti und Werbeplakate mit Architekturrenderings und Lockbotschaften für ein betuchtes Klientel: ,.Wo Architektur zum Meisterwerk wird." Geboren ist Hutchinson 1987 in Berlin, aufgewachsen in Schöneberg 30, dort, wo Magnolienblüten vor Satellitenschüsseln blühen und das Herbstlaub in Pfützen vermatscht. Geprägt davon fühlt er sich bis heute: „egal was ihr wollt/ oder was da steht auf dem papier / ihr kriegt schöneberg nord / nicht raus aus mir“ Hutchinsons neues Buch durchzublättern ist ein wenig so, als leihe man sich seinen Blick aus, auf der Suche nach kleinen Dingen um sich daran festzuhaken. Oft sind es die wiederkehrenden Details der fortschreitenden Gentrifizierung. ,,Stadt für Alle" ist ein Titel wie ein Slogan, den aktivistische Gruppierungen an luxussanierte Gebäude sprühen. Hutchinsons eigene Texte, die sich über die Seiten ziehen, sind mal auf Deutsch, mal auf Englisch, ohne Rücksicht auf Interpunktion oder Groß- und Kleinschreibung notiert, so rhythmisch wie Rap-Lyrics, poetisch und politisch zugleich. Wem gehört die Stadt? Einer wie Hutchinson lässt sie sich jedenfalls nicht nehmen: ,,kopfhörer rein, jacke zu, kapuze auf / raus / komm schon junge lauf".
published in December issue of "monopol", 2020
Der Fotokünstler Paul Hutchinson durchdringt die Stadt so wie sie ihn
Beate Scheder
Am S-Bahnhof Yorckstraße, ungefähr da, wo Kreuzberg in Schöneberg übergeht, steht er, der vielleicht hässlichste Neubau Berlins. Und er spricht sogar mit einem: „who are you" steht in schwarz-grünen Lettern auf der steingrauen Fassade. Die eigene Antwort gibt er ums Eck gleich selbst: „More than a Gym". Der Künstler Paul Hutchinson hat ihm ganze fünf Seiten in seinem Buch „Stadt für Alle“ gewidmet, diesem Sinnbild für den oft ziemlich geschmacklosen Bauboom Berlins. Hutchinson hält den rasanten Wandel der Hauptstadt mit seinen Fotografien schonungslos fest. Er richtet die Kamera auf Baustellen, die wie Mondlandschaften aussehen, in aufgerissene Gruben auf Absperrband und Bauzäune, Gerüste, Kräne, Bagger in Nahaufnahme, auf Graffiti und Werbeplakate mit Architekturrenderings und Lockbotschaften für ein betuchtes Klientel: ,.Wo Architektur zum Meisterwerk wird." Geboren ist Hutchinson 1987 in Berlin, aufgewachsen in Schöneberg 30, dort, wo Magnolienblüten vor Satellitenschüsseln blühen und das Herbstlaub in Pfützen vermatscht. Geprägt davon fühlt er sich bis heute: „egal was ihr wollt/ oder was da steht auf dem papier / ihr kriegt schöneberg nord / nicht raus aus mir“ Hutchinsons neues Buch durchzublättern ist ein wenig so, als leihe man sich seinen Blick aus, auf der Suche nach kleinen Dingen um sich daran festzuhaken. Oft sind es die wiederkehrenden Details der fortschreitenden Gentrifizierung. ,,Stadt für Alle" ist ein Titel wie ein Slogan, den aktivistische Gruppierungen an luxussanierte Gebäude sprühen. Hutchinsons eigene Texte, die sich über die Seiten ziehen, sind mal auf Deutsch, mal auf Englisch, ohne Rücksicht auf Interpunktion oder Groß- und Kleinschreibung notiert, so rhythmisch wie Rap-Lyrics, poetisch und politisch zugleich. Wem gehört die Stadt? Einer wie Hutchinson lässt sie sich jedenfalls nicht nehmen: ,,kopfhörer rein, jacke zu, kapuze auf / raus / komm schon junge lauf".
published in December issue of "monopol", 2020